Widerruf von Kreditverträgen wird einfacher
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Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei ein "Meilenstein" für sehr viele Kreditverträge in Deutschland, so die einhellige Meinung in Rechtskreisen. Der EuGH hatte über Kleingedrucktes in Autokreditverträgen der VW-Bank, der Skoda-Bank und der BMW-Bank zu urteilen und tut das in seinem Urteil sehr klar: In mehreren Verfahren gegen die Banken halten die Europarichter die Ausübung eines Widerrufsrechts auch noch nach Jahren für möglich, weil die Autobanken ihre Kunden beim Abschluss der Kreditverträge oftmals nur unzureichend über die Rechtslage informiert haben (Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20).
Nach Einschätzung von Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest hilft das Urteil vielen Schuldnerinnen und Schuldnern weiter: „Die meisten von ihnen können jetzt ihre alten Kreditverträge widerrufen, auch wenn seit Vertragsabschluss schon viele Jahre vergangen sind.“ Dadurch könne etwa die Restschuld sinken, was unter anderem daran liege, dass Entgelte oder auch Verzugszinsen wegfielen.
Auch Lösung des Kaufvertrages möglich
Bei einer Rückabwicklung eines Vertrages geht es aber nicht nur um den Finanzierungsvertrag. Da es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ handelt, können sich Verbraucher darüber hinaus auch vom ursprünglichen Kaufvertrag lösen. Bei der Rückabwicklung erhalten Kreditnehmer alle Raten zurück, die sie bisher einbezahlt haben. Dafür geben sie die auf Kredit finanzierte Ware zurück. Wie der durch den Gebrauch entstandene Wertverlust zu berechnen ist und ob Verbraucher dafür überhaupt aufkommen müssen, ist allerdings bis dato strittig und von den Gerichten nicht abschließend geklärt.
In den nun vom EuGH zusammengefassten sechs Verfahren hatten Kunden ihre Kreditverträge aus den Jahren 2018 und 2019 widerrufen, teilweise mehrere Jahre nach Zahlung der letzten Darlehensrate, zum Teil aber auch vor vollständiger Erfüllung des Kreditvertrags. Sie zogen gegen die verschiedenen Banken in Ravensburg vor Gericht. Dagegen beteuerten die Beklagten, die nach der EU-Richtlinie erforderlichen Angaben erteilt zu haben – die Widerrufsfrist (in der Regel 14 Tage nach Vertragsschluss) sei längst abgelaufen.
Das Landgericht Ravensburg setzte die Klagen aus und bat im Vorlageverfahren den EuGH um Antwort in den offenen Fragen bei Autokreditverträgen. Brisant aus Sicht der Finanzinstitute: Bislang hatte ihnen der Bundesgerichtshof (BGH) mit seiner Rechtsprechung den Rücken gestärkt. Diese Sicherheit ist ab sofort nicht mehr gegeben.
Banken verlieren Unterstützung
Die Richter in Luxemburg kritisierten in ihren Ausführungen die ungenauen Angaben in den Kreditverträgen, so müssten zum Beispiel die Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben sein. Für die Anpassung der Zinssätze sei zudem der reine Verweis auf die Änderung des von der Zentralbank festgelegten Basiszinssatzes allein nicht ausreichend. Auch die Höhe der im Falle einer vorzeitigen Ablösung fälligen Entschädigung muss demnach für einen Verbraucher in „leicht nachvollziehbarer Weise“ angegeben sein, führen die Richter aus.
Den Einwand der Autobanken auf einen Rechtsmissbrauch durch Kunden oder eine Verwirkung des Widerrufsrechts ließen die Richter nicht zu. Unter Berufung auf EU-Recht dürfe der Kreditgeber den Widerruf nicht ablehnen, wenn eine zwingend vorgeschriebene Angabe im Kreditvertrag fehle und nicht nachträglich mitgeteilt worden sei.
Folgen für Kreditwirtschaft nicht absehbar
Die Auswirkung der Entscheidung müsse nun eingehend analysiert werden, heißt aus der Deutschen Kreditwirtschaft. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Bundesgerichtshof mit einer Vielzahl der aufgeworfenen Vorlagefragen bereits intensiv auseinandergesetzt habe. In Ravensburg sind nach Auskunft eines Gerichtssprechers rund 30 vergleichbare Zivilklagen gegen die Autobanken anhängig. Die Zahl der Verfahren dürfte in ganz Deutschland deutlich zunehmen.
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